Fabel mit wahrem Kern
Einmal, es war im heißesten Monat des Sommers, vertrockneten viele Bäche und auch viele Quellen versiegten.
Eine durstige Krähe irrte einen ganzen Tag lang umher auf der Suche nach Wasser.
Abends, als sie so erschöpft war, dass sie kaum mehr fliegen konnte, entdeckte sie endlich einen Krug mit Wasser auf der Türschwelle eines Hauses.
Sie stürzte hinab, steckte ihren Kopf in den Krug und wollte trinken. Aber der Krug war nur halb voll und die Krähe mochte ihren Hals noch so lange recken, sie erreichte das verlockende Nass nicht mit ihrem Schnabel.
Enttäuscht flatterte sie auf, hüpfte flügelschlagend um den Krug und versuchte ihn umzuwerfen. Doch es war ein großer, schwerer Tonkrug, den sie nicht kippen konnte.
Als die Krähe niedergeschlagen neben dem Krug hocken blieb, erblickte sie neben der Schwelle des Hauses einen Haufen kleiner Steine. Die Krähe pickte einen Stein nach dem anderen auf und warf ihn in den Krug hinein, bis das Wasser den tönernen Rand erreichte und sie ihren Durst stillen konnte.
Ausdauer und Verstand führen immer zum Ziel.
Was Aesop in seiner Fabel “Die Krähe und der Wasserkrug” schon vor zweieinhalb Jahrtausenden beschrieben hat, konnten britische Forscher nun erstmals experimentell nachweisen: Krähen warfen in ihren Versuchen Steine in ein Gefäß, um den Wasserspiegel so weit ansteigen zu lassen, dass sie an eine im Wasser schwimmende Beute gelangen konnten. Sie lernten zudem nach wenigen Versuchen, dass größere Steine schneller zum Erfolg führen und dass das Prinzip nur mit Wasser und nicht mit Sägemehl funktioniert. In der Fabel des griechischen Dichters Aesop wird bereits ein Vogel beschrieben, der so lange Steine in einen Krug wirft, bis er das Wasser erreichen kann
Artikel lesen unter: Bisculm Martina (2009): Fabel mit wahrem Kern. Hg. v. bild der wissenschaft online. Internet. Online verfügbar unter http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/998662, zuletzt geprüft am 24.10.2015.