Deutlich kleiner als die Krähen, ist der Eichelhäher durch seine auffällige, bunte Färbung, den charakteristischen, unregelmäßig flatternden Flug und seine rätschenden Rufe auch von weitem unverwechselbar: Das Federkleid ist rötlich-braun mit einer etwas helleren Unterseite, schwarzem Schwanz und Flügeln, in starkem Kontrast dazu der schneeweiße Bürzel und die weißen Flügelflecken. Leuchtend hellblau und schwarz gebändert sind die Flügeldecken. Der Kopf, auf dem Scheitelfedern als Federholle aufgestellt werden können, ist auf hellerem Grund schwarz längsgestrichelt, die Kehle weiß mit einem kräftigen, schwarzen Bartstreif. Die Jungvögel weisen ähnliche Farben auf, sind insgesamt jedoch dunkler und auch weniger kontrastreich.
Farbabweichungen wie reinweiße Eichelhäher oder weiße mit blauen Abzeichen und Schwärzlinge kommen selten vor.
Länge und Gewicht
Etwa 34 Zentimeter. Eichelhäher wiegen im Schnitt ungefähr 170 Gramm, wobei die Spannbreite von 130 bis 220 Gramm reicht; die Männchen sind meist etwas schwerer als die Weibchen.
Stimme
Jedem Waldspaziergänger ist der laute Alarmruf bekannt, der sich wie „rääitsch“ anhört. Auch lassen die Häher ein Bussard-ähnliches „hiiä“ als Lockruf erklingen. Miauende und krähende Rufe hört man in lärmenden Frühjahrsversammlungen, und der Schreckruf klingt hart „krrr-krr“. Der Gesang ist ein leises, bauchrednerisches Plaudern. Im ersten Lebensjahr können nicht angeborene Laute erlernt werde, was zur Verwendung von täuschend echten Imitationen anderer Vogelstimmen – z.B. von Eulen oder Reihern – und Geräuschen im individuellen Stimmrepertoire eines Eichelhähers führen kann.
Der Ruf des Eichelhähers
Verbreitung
Eichelhäher sind in mehreren Rassen vom äußersten Nordafrika über Europa bis nach Ost- und Südostasien verbreitet. In Nord- und Mitteleuropa brütet die Nominatform G. g. glandarius. Der Eichelhäher fehlt auf Island und in Teilen Nordskandinaviens sowie in Nordschottland. Infolge der Klimaverbesserung hat er seit der Zeit um 1900 sein Areal nordwärts ausgedehnt. In Mitteleuropa fehlt er nur in den größten waldfreien Gebieten, z. B. in sehr baumarmen, waldfreien Marschen. Er steigt in den Mittelgebirgen bis in 800 Meter NN und in den Alpen bis etwa 1800 NN.
Lebensraum
Obwohl der Eichelhäher in Wäldern aller Art vorkommt, liegt sein Lebensraum-Optimum in den Laubwäldern der tieferen Lagen, wie es ja seiner Ernährung und der Abhängigkeit von einem günstigen Klima entspricht. Er fühlt sich aber auch in Parklandschaften, sowie im Kulturland mit Gehölzen recht wohl. Seit den 1950er Jahren ist er gebietsweise auch in die baumreichen Grünlagen von Städten eingewandert; so in Polen, wo er aber teilweise von den überlegenen Krähen wieder verdrängt wird.
Bestandssituation
Der Eichelhäher kommt in geeigneten Gebieten häufig vor. Die Bestandsdichte ist wegen der Heimlichkeit während der Brutzeit schwer zu ermitteln. Deshalb gibt es teilweise stark divergierende Einschätzungen. Zum Beispiel Westdeutschland 150.000 bis 550.000, Belgien 22.000 bis 55.000 Brutpaare. Regional ist er abhängig vom Verfolgungsdruck, dem er ausgesetzt ist. Die „Jahresstrecke“ reichte in bayerischen Staatsforsten zwischen 1972 und 1980 von 4.500 bis zu 7.500 erlegten Hähern; dies bei einem geschätzten Gesamtbestand von 35.000 bis 80.000 Brutpaaren. Inzwischen werden in diesem Bundesland allein jährlich etwa 25.000 Exemplare geschossen. Insgesamt ist er nicht bedroht.
Wanderungen
Mittel-, süd- und westeuropäische Eichelhäher sind meist ortstreue Standvögel. Jungvögel wandern im ersten Jahr ungerichtet, meist nicht weiter als 50 Kilometer, selten bis über 500 Kilometer ab. Je weiter im Norden und Osten (kalte Winter), desto mehr Altvögel ziehen im September, schwerpunktmäßig im Oktober bis in den November hinein, Richtung Südwesten in wärmere Gefielde. Dabei werden durchaus auch größere Distanzen zurückgelegt. Die Rückkehr in die Brutheimat findet im März und April statt.
Etwa alle vier Jahre kommt es zu sehr viel ausgeprägteren Evasionen aus nördlichen und östlichen Gebieten, die offenbar mit dem Fruchtansatz der Hauptnahrungsbäume Eiche und Rotbuche zusammenhängen. Dann können Schwärme ziehender Eichelhäher Zigtausende umfassen. Jede Massenwarnung von Eichelhähern verläuft jedoch anders, und viele Fragen, etwa wie sie ausgelöst und gesteuert werden, sind noch ungeklärt. Es scheint so zu sein, dass nach besonders guten Brutjahren mit Eichel- oder Bucheckernmast Massenabwanderung ausgelöst wird, wenn die dann hohe Eichelhäherbevölkerung auf Fehljahre im Fruchtansatz der Bäume trifft.
Nahrung
Das Nahrungsspektrum ist durch viele Untersuchungen gut bekannt. Von Frühjahr bis Herbst überwiegt der Anteil an Tieren, von Herbst bis Frühjahr pflanzliche Kost. In der Brutzeit sammeln und jagen die Häher vornehmlich in der Kronenschicht des Waldes Insekten und deren Larven. Sie nutzen Massenvermehrungen von Schmetterlingen wie Wicklern, Spinnern oder auch Maikäfern. Vogeleier und Nestlinge anderer Singvögel sind zur Brutzeit normaler Nahrungsbestandteil. „Spezialisten“ unter den Hähern nutzen dabei die Hassreaktion der Kleinvögel aus und suchen systematisch. Acht bis zehn Prozent Singvogelreste in den Mageninhalten sind jedoch schon im oberen Bereich, und meistens ist der Anteil geringer. Auch an die Nestlinge verfütterte Nahrung enthält kaum mehr als 15 Prozent Vogeleier und -küken.
Auch am Boden hüpfend kann der Eichelhäher Nahrung suchen. Weichtiere und Regenwürmer treten bei ihm aber im Vergleich zu den Krähen als Nahrung weit zurück. In waldrandnahen Äckern ernten Eichelhäher gelegentlich Getreide- oder Maiskörner. Die „Schäden“ sind aber lokal begrenzt und sehr gering.
Ab August bis in den Spätherbst/Frühwinter hinein kommt die Ernte und das Verstecken von Eicheln (und Bucheckern, Haselnüssen) zum Tragen. Bis zu zehn Eicheln können Häher im Kehlsack transportieren, meist haben sie noch eine im Schnabel. Zum Sammeln fliegen sie fünf bis acht Kilometer weit. Die Eicheln werden einzeln, bevorzugt in reich strukturierten Flächen oder an Wald- und Gebüschrändern, in Spalten und unter Laub gesteckt oder im Boden vergraben. Die Häher vollbringen bei dieser Verstecktätigkeit enorme Leistungen: Mit zwei Flügen pro Stunde und 20 bis 22 pro Tag kommt ein Vogel in der dreiwöchigen Hauptsammelphase auf 3.000 bis 5.000 versteckte Eicheln. Die Vorräte werden im Hochwinter/Frühjahr wieder genutzt, oft noch zur Fütterung der Nestlinge. Die Verstecke werden selbst unter tiefem Schnee wiedergefunden, wobei die Häher „Stollen“ in den Schnee vortreiben. Man schätzt, dass etwa ein Fünftel der versteckten Eicheln, Bucheckern und Haselnüsse wieder verwendet wird. So „pflanzen“ Eichelhäher diese forstlich sehr erwünschten Pflanzen aus dem örtlich angepassten Erbgut an den richtigen Stellen aus.
Fortpflanzung
Die Geschlechtsreife erfolgt wohl im ersten Lebensjahr. Bei Standvögeln beginnt die Revierabgrenzung schon im Februar. Ziehende kommen meist im März zurück. Während und nach der Balz wird ein Revier von etwa zwei bis zehn Hektar etabliert und vor allem im engeren Nestbereich gegen Artgenossen verteidigt.
Normalerweise ist auch in Wäldern des Tieflandes nicht mehr als ein Brutpaar pro zehn Hektar anwesend. Nur in optimal strukturierten Flächen können es bis zu zwei Brutpaare auf dieser Fläche sein. In Gebieten mit wenigen Eichen oder jenseits der Verbreitungsgrenze der Eichen ist die Siedlungsdichte viel geringer.
Eichelhäher sind monogam. Die Ehe dauert nur eine Brutzeit. Männchen und Weibchen wählen gemeinsam einen Nestplatz meist in Bäumen in Stammnähe (bei kleineren im Wipfelbereich), selten in Büschen. Das Nest wird von beiden Partnern gebaut und besteht aus Zweigen und grünen Reisern; die Mulde wird aus Wurzeln, Rinde, Gräsern und sorgfältig verflochtenen, weichen Materialien wie Tierhaaren und Federn hergestellt und ausgepolstert. Es ist nicht sehr groß (Durchmesser durchschnittlich kaum 24 Zentimeter, Höhe etwa 15 Zentimeter).
Die Eiablage beginnt meist erst dann, wenn das Laub voll ausgeschlagen hat. In Intervallen von 24 Stunden werden vier bis sieben blassgrüne, bräunlich oder rötlich gezeichnete Eier gelegt. In den Tagen vor der Eiablage bewacht das Männchen sein Weibchen auf Schritt und Tritt, um so zu verhindern, dass dieses von anderen Männchen begattet wird. Das Weibchen brütet, beginnend meist nach dem dritten Ei alleine (einige Autoren gehen von Bebrütung durch beide Partner aus).
Nach einer Brutdauer von 16 bis 17 Tagen schlüpfen die Jungen, alle meist innerhalb von ein bis zwei Tagen und werden vom Weibchen in den ersten Tagen gehudert. Das Männchen versorgt die Familie, kann aber während Huderpausen der Partnerin kurz selbst die Jungen bedecken. Nach einer Nestlingsdauer von 19 bis 22 Tagen verlassen die Jungen das Nest und werden noch einmal drei bis vier Wochen von den Eltern geführt und versorgt. Bis in die Schlussphase der Familienzeit verteidigen Eichelhähereltern ihre Jungen gegen Prädatoren, auch wenn es die überlegene Rabenkrähe ist. Durch das Geschrei angelockt, helfen Nachbarpaare manchmal mit, einen Eindringling zu vertreiben.
Von den Brutversuchen ist im Schnitt nur etwas weniger als die Hälfte erfolgreich. Eichhörnchen, Bilche, Elstern und Artgenossen sind die Hauptverursacher von Gelege- und Brutverlusten. Die Sterblichkeit der Eichelhäher wird bis heute stark durch den Abschuss in vielen Gebieten beeinflusst.
Die jährliche Sterblichkeit der jungen Eichelhäher liegt bei 70, die der erwachsenen Eichelhäher bei 30 Prozent. Das Höchstalter liegt im Freiland bei 17 Jahren.
Verhalten
Das Sozialverhalten ändert sich im Jahresverlauf. Im Herbst sammeln sich die Häher zu größeren Trupps, um gemeinsam das Nahrungsangebot zu erkunden und effektiv zu nutzen. Neben der Nahrungsstrategie hat das Gruppenleben wohl noch einen weiteren Vorteil: Hier sind die Häher, die jetzt viel offener als während der Brutzeit in Erscheinung treten, vor Erbeutung etwas besser geschützt.
Wie wichtig Feindvermeidung ist, zeigt sich auch daran, dass der etwas schwerfällige, unregelmäßig flatternde Flug möglichst nicht über weite, offene Flächen führt, wo ein Falke oder Habicht keine Mühe hat, zum Stoß anzusetzen. Außerhalb der Brutzeit schlafen die Häher auch gemeinsam am „kommunalen Schlafplatz“ – manchmal mehrere Trupps zusammen mit insgesamt bis zu 100 Individuen. Trupps, die ziehen, können mehrere Hundert umfassen, oder während Invasionen in einem „unendlichen Band“ in die Tausende gehen. Im Frühling, vor allem im März, treffen sich die Häher zu „zeremoniellen Versammlungen“. In diesen lärmenden Frühjahrszusammenkünften, an denen mit Verfolgungsspielen, speziellen Lauten, Zick-Zack-Flügen bis zu 50 Häher beteiligt sein können, werden zwischen noch unverpaarten Hähern in einer „Gruppenbalz“ Paarbindungen eingegangen („Heiratsmarkt“), und wahrscheinlich wird auch das Brutverhalten verschiedener Vögel synchronisiert. Auch nach Verlust des Partners werden (bis in den Mai hinein) solche Zeremonien ausgelöst, so dass wahrscheinlich auch das Kennenlernen von Neulingen und die Neuordnung von Reviergrenzen eine Funktion dieser Versammlungen ist (die es ähnlich auch bei einigen anderen Rabenvögeln gibt).
Nach der Paarbildung schließt sich der Jahreskreis des Sozialverhaltens mit Reviergründung und Territorialität. Allenfalls einzelne untergeordnete, nicht als Rivalen eingestufte Häher werden in der Brutzeit in einem solchen Revier „geduldet“. Territorialität und Abwanderung begrenzen die Häherbevölkerung damit auf natürliche Weise. Vögel die an Auswanderungswellen teilnehmen, kehren im darauffolgenden Frühjahr – wenn sie nicht umkommen – nämlich meistens so spät zurück, dass für eine Brut keine Zeit mehr ist.