Die Aaskrähe kommt in Europa in zwei farblich deutlich unterschiedlichen Unterarten, der Rabenkrähe und der Nebelkrähe, vor: Die Rabenkrähe C. c. corone ist einfarbig schwarz, etwas weniger glänzend als die etwa gleich große Saatkrähe. Der schwarze Schnabel ist kräftig, aber nicht so klobig wie beim Kolkraben, nicht so schlank und spitz, etwas höher und etwas stärker gebogen als bei der Saatkrähe. Die Flügel sind breiter und das Gefieder enger anliegend als bei der Saatkrähe, der Krächzruf kürzer und heller.
Die zweite europäische Unterart ist die Nebelkrähe C. c. cornix. Sie ist unverwechselbar zweifarbig: Brust, Bauch, Hinterhals und Rücken sind hellgrau, das restliche Gefieder schwarz. In Gebieten Ost-Mitteleuropas, Dänemarks, Nordwestschottlands und der Südalpen, wo die Verbreitung beider Unterarten überlappt, gibt es Mischlinge, die unterschiedlich abgestuft entweder durch dunkles Grau oder größere Ausdehnung der Schwarzfärbung (von der Schwanzwurzel aus das Grau des Körpers ablösend) Merkmale beider Unterarten tragen. Die Körpermaße beider Unterarten sind in etwa gleich.
Länge und Gewicht
Etwa 47 Zentimeter. Aaskrähen wiegen um 500 Gramm; die Weibchen 430 bis 610; die Männchen 520 bis 650 Gramm.
Stimme
Das charakteristische Krächzen wie „kräh“ oder „krah“ ist etwas kürzer und heller als das der Saatkrähe. Beim Hassen und Stoßen auf Greifvögel ist ein kurzes Quarren wie „quarr“ oder „krr“ zu hören. Laute Alarmschreie wie „arr arr“ gelten dem Habicht. Der Gesang ist wie bei anderen Rabenvögeln ein bauchrednerisch-plauderndes Gequakel und Gekrakel. Die Aaskrähe ist ein begabter Imitator, Jungvögel lernen in menschlicher Obhut auch die Nachahmung der menschlichen Stimme.
Der Ruf der Aaskrähe
Verbreitung
Aaskrähen brüten in mehreren Unterarten vom Atlantik über ganz Europa (nicht auf Island) und Asien bis nach Japan und Kamtschatka. Die Nordgrenze folgt ungefähr der Baumgrenze, die Südgrenze liegt etwa zwischen dem 3. und 40. Breitengrad.
Die europäische Rabenkrähe C. c. corone brütet in West- und Mitteleuropa östlich bis zur Elbe, bis Tschechien, bis in das österreichische Waldviertel, den Wiener Wald und den Ostalpenrand. Im Norden reicht ihr Gebiet bis zur Südgrenze von Dänemark, und nach Nordostschottland. Im Süden zieht die Grenze von den Ostalpen entlang des Alpensüdrandes bis zu den Seealpen.
Die Nebelkrähe C. c. cornix brütet in Italien, Irland, Nordwestschottland, ganz Skandinavien, Osteuropa, auf dem Balkan und bis Mittelasien. In der nur 50 bis 150 Kilometer breiten Überlappungszone beider Formen gibt es weniger Mischlinge, die äußerlich erkennbar die Merkmale beider Unterarten tragen, als zu erwarten wäre, wenn sich beide ohne Einschränkung in einer echten Mischzone paaren würden. Ob es allerdings äußerlich (phänotypisch) einer Form zugehörige Mischlinge gibt, die nur im Erbgut (genotypisch) fein entschlüsselbar wären, ist derzeit ungewiss. Neue Untersuchungen in der dort schmalen Kontaktzone am südlichen Alpenrand legen nahe, dass feine Unterschiede beider Unterarten in der Anpassung an die Umwelt existieren könnten, und Bastarde in der Auslese leicht benachteiligt werden, da sie bei der Fortpflanzung weniger erfolgreich sind als die „reinen“ Rabenkrähen und Nebelkrähen. Dort nutzt die Rabenkrähe mehr die Grünlandgebiete der Alpentäler, die Nebelkrähe ist mehr in Ackerbauflächen der Po-Ebene zu finden. Die Aaskrähe steigt in den Mittelgebirgen bis in die Kammlagen, in den Alpen vereinzelt bis 1.800 Meter NN.
Lebensraum
In ursprünglichen Naturlandschaften Europas mit sehr hohem Waldanteil war die Aaskrähe auf natürliche Waldlichtungen und Waldränder angewiesen: Moorränder, Überschwemmungsbereiche mit Flussufern, Bachtäler mit Überschwemmungsblößen, See- und Meeresufer. Auch heute noch, in der durch den Menschen geöffneten Kulturlandschaft, ist die Waldrandlänge ein wertbestimmendes Merkmal der Lebensräume der Aaskrähe. Dabei zeigt sie eine sehr große Anpassungsfähigkeit. Ihr Habitat muss ausreichend mit Baumgehölzen (kleinen Wäldern) für den Nestbau und offenen Flächen mit kurzer oder nur schütterer Vegetation ausgestattet sein.
Die Aaskrähe fehlt nur in großen, geschlossenen Wäldern, sie kann ansonsten alle Landschaften, von bäuerlichen Kulturlandschaften bis zu städtischen Ballungsräumen besiedeln. Das Extrem ihrer Kulturerfolge ist die zögernd im 19. Jahrhundert beginnende, seit dem Zweiten Weltkrieg verbreitete Einwanderung in die Großstädte, mancherorts bis in die City-Bereiche. Sie verdrängt hierbei oft – obwohl sie scheuer ist – die, ihr unterlegene Dohle. Die Krähen weichen dem Habicht, der ihr Hauptprädator ist, bei der Reviergründung und Nestplatzwahl aus (Abstand vom Habichthorst möglichst mehr als 1,5 Kilometer). Sie selbst verdrängen ihrerseits die Elster aus der freien Feldflur in die Siedlungsbereiche.
In Mitteleuropa profitieren wenigstens zehn weitere Vogelarten vom Nestbau der Aaskrähe in den Gehölzen. Sie nutzen, selbst keine Nester bauend, die verlassenen Krähennester oder bauen sie als besonders geeignete Grundlage zu eigenen Horsten um.
Bestandsituation
Im Kontaktbereich gewinnt fast überall die Rabenkrähe gegen die Nebelkrähe nach Ost und Nord an Terrain, die Überlappungszone bleibt dabei aber etwa gleich breit. In weiten Teilen Europas bestimmt die Verfolgung durch den Menschen die Höhe und Dichte der Bestände mit. Jagdverschonung führt dort, wo vorher starke Nachstellung herrschte, zunächst zu (starken) Bestandszunahmen. In naturbelassenen Situationen dagegen sind keine Zunahmen zu verzeichnen.
Großräumig hat die Aaskrähe in den letzten 30 Jahren wohl vor allem infolge der Intensivierung der Landwirtschaft zugenommen. Nutzungsrücknahme führt zu Bestandsabnahmen, Intensivierung zu Zunahmen, zu starke Ausräumung wiederum zu (lokalem) Rückgang. In Großbritannien wird eine Verdreifachung der Bestände zwischen 1962 und 1988 geschätzt. Es gibt bei langfristig untersuchten Populationen, vor allem bei der Nebelkrähe, aber auch zum Teil erhebliche Bestandsrückgänge, die bislang nicht befriedigend erklärt werden können.
Bestandsschätzungen: Niederlande 40.000, Ostdeutschland etwa 100.000, Westdeutschland mindestens 250.000, Österreich etwa 50.000 Brutpaare. Nicht bedroht.
Wanderungen
Aaskrähen sind Stand- und Strichvögel, teilweise Kurzstreckenzieher. In Mitteleuropa und Westeuropa überwiegen Standvögel. In Nordwest- und Norddeutschland verlässt ein (immer kleinerer) Teil der Brutvögel im Winter noch das Brutgebiet nach West und Südwest (weiteste Wanderung bis annähernd 750 Kilometer). Jungvögel verstreichen je nach der Bevölkerungs- und Nahrungssituation zunächst meist im engeren Umkreis des Geburtsbereiches. Sowohl Geburtsortstreue, als auch Brutortstreue und Winterortstreue sind typisch und durch Ringfunde belegt. Bei Teilzieher-Populationen ist die „Wanderlust“ auch altersabhängig: Ab dem dritten Lebenswinter wird die Tendenz sesshaft zu bleiben, größer.
Wegzugbewegungen ab Ende September, Höhepunkt meist Mitte Oktober, bis in den November. Heimzug von Februar bis April, Höhepunkt im März. Die östlichen und nördlichen Nebelkrähen ziehen – vor allem aus winterkalten Gebieten – viel stärker als die westlichen Rabenkrähen. Sie überwintern westwärts bis weit ins Rabenkrähengebiet. Im Zuge der Milderung der Winter ist der Anteil im Norden und Osten überwinternder Nebelkrähen aber steigend, und die Zugwege der über größere Distanzen ziehenden scheinen kleiner zu werden. Rabenkrähen werden von heimziehenden Nebelkrähen manchmal weit nach Osten „mitgerissen“, einzelne Nebelkrähen bleiben manchmal übersommernd im Rabenkrähengebiet hängen. In Wintergemeinschaften gibt es Tagewanderungen zwischen Nahrungsflächen und Schlafplätzen (bis über 15 Kilometer).
Nahrung
Aaskrähen sind besonders vielseitige Allesfresser, die unter natürlichen Bedingungen an den Wechsel des Angebots von Jahr zu Jahr, von Landschaft zu Landschaft und den Wechsel innerhalb des Jahresverlaufs angepasst sind. Grob gilt: Im Winterhalbjahr überwiegen Vegetabilien wie Beeren, Sämereien und Aas, im Sommerhalbjahr überwiegen Tiere wie Schnecken, Muscheln, Regenwürmer, Insekten, Kleinsäuger, Vogeleier und -küken.
In Sonderfällen und im Kulturland wird dieses Grundschema höchst flexibel abgewandelt, abhängig von der Nutzung oder Struktur der Landschaft. In Ackerbaugebieten dominiert im Jahresschnitt die vegetarische Kost. Nur von März bis Mai (Jungenaufzucht) überwiegt dann Nahrung aus Tieren, mit der Aaskrähen-Nestlinge überwiegend (bis ausschließlich) gefüttert werden. Der Wirbeltieranteil bleibt oft unter fünf Prozent. In den ersten Tagen sind es meist Insekten, größere Nestlinge werden je nach (Haupt)Angebot der Landschaft gefüttert. An Meeresküsten können das bis 70 Prozent Vogelbrut oder Fisch sein, in Kulturlandschaften mit Grünland sind Regenwürmer die Hauptnahrung.
Die sehr lernbegabte, flexible, wendige und verhaltensplastische Aaskrähe verfügt über vielfältigste Nahrungserwerbstechniken. Hauptsächlich jagt und sammelt sie am Boden, gräbt und stochert aber weniger als die Saatkrähe. Sie kann im etwas höheren Gras noch erfolgreich suchen, bevorzugt aber frische Mähflächen und kurzgefressene (insektenreiche) Weiden. Auch größere Trupps agieren bei der Nahrungssuche nicht „kollektiv“, sondern „jeder für sich“. Weichtiere, Insekten und Spinnen werden (mehr als bei der Saatkrähe) von der Bodenoberfläche gepickt. Dung- und Steinewenden, kurze Flugjagd auf Heuschrecken sind typisch. Insektenfang in Bäumen wird gut beherrscht (vor allem während Massenvermehrungen von Maikäfern, Wicklern, Spinnern). Vogeleier und -brut sind natürlicher Nahrungsbestandteil. Dem ursprünglichen Lebensraum der Aaskrähe entsprechend sind hierbei bis heute vor allem Schwimmnest- und Bodenbrüter die Hauptbeute.
Krähen lernen individuell und entwickeln hierbei je nach Jagderfolg ein „Suchbild“, das sie offenbar im Langzeitgedächtnis speichern und so (nach Jahren) immer wieder anwenden können. Die hohe Auffassungsgabe, das rasche Begreifen der Situation ist kennzeichnend, wenn sie beim „Nestraub“ geschickt menschliche Störungen nutzen: Ein großer Teil der erfolgreichen Erbeutung von Eiern und Vogelküken ist im Kulturland durch menschliches Tun ausgelöst (Störung durch Feldarbeit, Mähen, Weideviehumtrieb, Spaziergänger usw.). Aaskrähen lernen die Bedeutung von Markierungsstäben für Vogelnester bei ornithologischen Untersuchungen. In den Zentren der Großstädte nutzt die Aaskrähe systematisch die Brut der verwilderten Haustauben.
Spezialtechniken sind: Jagd zu zweit (wohl als Paar) auf Jungvögel oder Junghasen, indem eine Krähe versucht die verteidigenden Tiereltern abzulenken, während die andere Beute macht; Fischfang watend im seichten Wasser oder aus dem Flug; Stossjagd auf Kleinsäuger; gezieltes Erbeuten von Haushuhnküken nach „genauem Erkunden der Lage“; Öffnen hartschaliger Objekte (z.B. Muscheln, Krabben) mit dem starken Schnabel oder durch Hochtragen und anschließendes Fallenlassen.
Aaskrähen halten sich gerne bei Weidetieren auf. Sie fangen Insekten und Parasiten aus deren Fell, fressen an der Nachgeburt der Schafe und greifen gelegentlich sterbende, vom Mutterschaf nicht verteidigte Lämmer an. Angriffe auf gesunde Lämmer aber sind selbst in Schafzuchtgebieten die sehr seltene Ausnahme (Untersuchungsbeispiel: In zwei Jahren wurden von 1.700 Lämmern ganze zwei angegriffen).
Aas kann in großen Brocken gefressen werden. Toten Tieren werden zuerst die Augen ausgehackt. Fressen beginnt von der Zunge, vom Nabel oder vom After her. Große Tiere müssen erst von Füchsen oder Greifvögeln angeschnitten sein, bevor die Aaskrähe fressen kann.
Vegetabilien werden aufgepickt (Getreidekörner, Wurzeln, Knollen, Früchte). Um an Samen zu gelangen, werden auch Stängel und Zweige erklommen oder niedergedrückt. Harte Nüsse hämmern die Aaskrähen mit dem Schnabel auf. In Siedlungen, verstädterten und zivilisatorisch devastierten Bereichen genauso wie in Innenstädten werden Abfälle aller Art aufgenommen. Auch hier hilft die rasche Auffassungsgabe und das Lernvermögen: Deponien, Abfalleimer (Schulhöfe), Komposthaufen, Tiergehege, Massentierhaltungen oder Getreidesilos: Aaskrähen nutzen jede sich bietende ergiebige Quelle sehr geschickt. Zusätzlich sind sie in der Lage, durch Belästigungs-Flugmanöver anderen Arten wie Saatkrähen, Alpendohlen, Würgern und selbst Greifvögeln die Beute abzujagen. Aaskrähen verstecken Nahrungsbrocken und finden die Depots selbst unter Schnee wieder.
Fortpflanzung
Die Geschlechtsreife tritt physiologisch mit einem Jahr ein. Aber erst im Alter von drei bis fünf Jahren rücken Jungkrähen in den Status von Brutvögeln auf. Solange halten sie sich auch während der Brutzeit in Nichtbrütertrupps auf, wo sich einzelne Paare bilden, die zeitweise zur Erkundung ein Territorium besetzen können, aber weiterhin am Gemeinschaftsschlafplatz nächtigen.
Brutpaare besetzen je nach Witterung zwischen Ende Februar und Ende April ihre Nistplätze. Überwinternde bleiben teilweise ganzjährig verpaart im Revier (im Untersuchungsgebiet des Verfassers an der Nordseeküste etwa ein Drittel der Paare). Das Allzweckrevier hat in der freien Landschaft eine Größe von etwa 15 bis 40 Hektar. Der Aktionsraum kann knapp doppelt so groß sein. Am intensivsten wird der Nestbereich von beiden Partnern gemeinsam verteidigt. Reviergrenzen werden durch Schauflüge und demonstratives Abschreiten in Imponierpose gezeigt. Nachbarn (Nestabstände meist 100 bis 500 Meter) lernen sich durch die Begegnungen kennen und werden im Lauf der Zeit weniger intensiv angegriffen als Fremde oder Nichtbrüter. Verpaarte Nachbarn sind ja als „Nebenbuhler“ viel weniger bedrohlich als die Junggesellen der Nichtbrütertrupps und ungefährlicher für die Brut als diese Habenichtse, die regelmäßig die Nester der eigenen Art plündern. So entsteht eine gewisse Überschneidung bei Brutnachbarn, die sogar zur gemeinsamen Abwehr nach außen führen kann. Einmal verpaart hält die Ehe der monogamen Aaskrähe lebenslang. Gelegentlich wird ein weiteres Männchen, wenn es sich hartnäckig genug ins Revier drängt, als Mitbewohner oder als Helfer am Nest geduldet. Die Bevölkerungsdichte der Krähen wird vom Jagddruck des Menschen einerseits und der Lebensraumqualität andererseits bestimmt. Sie schwankt zwischen etwa 0,6 und zehn Brutpaare pro 100 Hektar in Agrarlandschaften. Im Großstadtbereich können jedoch durch das ganzjährige überreiche Nahrungsangebot viel kleinere Reviere von nur zwei bis drei Hektar und entsprechend sehr viel höhere Dichten (bis annähernd 40 Paare pro 100 Hektar) erreicht werden.
Vermutlich wählen vor allem die Männchen den Nestplatz aus. Denn selbst in Gebieten, wo über 90 Prozent der brütenden Weibchen aus den Nestern geschossen wurden, fand man die Nester alljährlich an denselben Stellen des Reviers. Das Nest wird meist in Baumkronen, möglichst in die höchsten noch genügend stabilen Astgabeln gebaut. Meist ist es in Feldholzinseln, a Randbereich von (kleinen) Wäldern, in Baumhecken, in Süddeutschland bevorzugt. In Streuobstgebieten in den höchsten alten Birnbäumen zu finden. Je nach Lebensraum herrscht auch hier große Flexibilität: In Siedlungs- und Stadtgebieten dienen Alleen, Parks, Plätze, sogar Hinterhöfe, selten Kirchen oder Schornsteine als Nestplatz, in Gebirgen auch Steinbänder in Felswänden. In baumarmen Gebieten schließlich brüten Aaskrähen sogar im Gebüsch. Zunehmend werden auch Gittermasten von Hochspannungsleitungen ausgesucht (relativ sicher vor Beschießen).
Beide Partner bauen am Nest. Nachbarpaare behelligen sich nicht gegenseitig. Die Nester sind recht stabil (Durchmesser etwa 30 bis 40, Höhe etwa 20 Zentimeter). Mehrjährig benutzte werden viel größer. Meist wird jedes Jahr ein neues innerhalb einer Woche gebaut (mit tagelangen Unterbrechungen dauert es manchmal bis zu 18 Tage). Der Nestbau beginnt schon Ende Februar/Anfang März.
Die Eiablage wird von der Temperatur beeinflusst, Kälteeinbrüche führen zu Ausfall und Verschiebung. Hauptlegezeit ist der April. In Intervallen von meist 24 Stunden werden drei bis sechs (selten zwei oder sieben) hellblaue bis grünliche Eier mit brauner oder grauer Fleckung (sehr variabel im Aussehen) gelegt, und ab dem drittletzten oder vorletzten Ei bebrütet. Nur das Weibchen brütet und hudert alleine die nach 17 bis 21 Tagen in einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen schlüpfende Brut. In den ersten neun Tagen müssen die Jungen ständig gewärmt werden, das Männchen versorgt die Familie. Dann werden sie etwa sechs Tage tagsüber noch zeitweilig, danach bis zum 17. Tag nur noch nachts gehudert, tags beschafft das Weibchen nun auch Nahrung. Bei Partnerverlust kann ein Elternteil allein die Jungen durchbringen. Nach dem Flüggewerden im Alter von 30 bis 35 Tagen werden sie mindestens weitere vier Wochen von den Eltern geführt und gefüttert. Die Brutfürsorge ist stark ausgeprägt. Selbst zu Boden gefallene Nestlinge werden dort bewacht, weitergefüttert und gegen Prädatoren beherzt verteidigt. Manchmal werden Jungvögel sehr viel später noch gefüttert, wenn sie betteln. Ihre Selbstständigkeit erreichen sie somit „fließend“ unter elterlicher Betreuung, werden erst in der folgenden Brutsaison nicht mehr geduldet und dann automatisch in die Nichtbrüter-Gesellschaft „geschubst“.
Langfristige Untersuchungen an verschiedenen Populationen der Aaskrähe in Europa zeigen, dass die Bruterfolge dennoch sehr klein sind. Meist sind es kaum die Hälfte der Bruten, die mit flüggen Jungen erfolgreich beendet werden (im Schnitt etwa ein Junges bezogen auf alle Brutpaare, erfolgreiche Paare haben meist zwei bis drei Junge). Die Verluste gehen zu großen Teilen auf Prädation zurück. Am Nest sind wichtige Prädatoren Marder und Habicht (der brütende Weibchen schlägt). Die Hauptverluste an Gelegen und Bruten aber werden durch nichtterritoriale Artgenossen aus den Nichtbrütertrupps verursacht. Nach Verlust kann ein Ersatzgelege gezeitigt werden. Im ersten Jahr ist die Sterblichkeit der Jungkrähen mit etwa 70 bis 75 Prozent hoch, mehrjährige haben dagegen nur noch eine Mortalität von knapp 30 Prozent. Dies bedeutet eine hohe Lebenserwartung erwachsener Krähen.
Im Durchschnitt sind Brutvögel sieben Jahre alt. Das Höchstalter im Freiland liegt bei 19 Jahren. Ranghohe sind an den gemeinsamen Schlafplätzen, an ergiebigen Nahrungsgründen und durch Revierbesitz bevorteilt, sodass die jährliche Sterberate vermutlich mehr bei den „sozial schwachen“ Krähen zu Buche schlägt.
Verhalten
Das Sozialverhalten ist gekennzeichnet durch die Trennung der Population in die Brutvögel, die Territorien besitzen, und Nichtbrüter, die in Trupps als „Habenichtse“ eine „Allmende“ bewohnen, die auch den Brutvögeln zugänglich ist. Es handelt sich hierbei um Bereiche, die zwar nicht so gut zum Brüten geeignet, die jedoch offene, sehr gute Nahrungsflächen sind.
Die Nichtbrütertrupps sind bei hoher Krähendichte größer (bis 100 oder mehr Vögel) als in dünn besiedelten Gebieten (meist nur zehn bis 20 Vögel). An großen Mülldeponien können im Winter zu bis 1.000 Aaskrähen zusammenkommen. Da sie in richtigen „Banden“ auftreten, können sie sich auf der ergiebigen Allmende gut gegen die ranghöheren Brutvögel behaupten und vor allem Brutpaaren mit qualitativ schlechteren Revieren den Erfolg durch Nestraub vereiteln. Denn knappe Nahrung bedeutet, dass die Bruteltern länger für weitere Strecken vom Nest entfernt sind, der Nestraub leichter gelingt. Je höher die Dichte, je mehr Habenichtse in der Bevölkerung desto stärker der Druck auf die Brutpaare und auf deren Brut. So bildet diese innerartliche Bruterfolgsregulation einen entscheidenden Begrenzungsfaktor für die Vermehrung und damit Bevölkerungszahl der Aaskrähe eines bestimmten Gebietes. Sie sorgt für die Anpassung ihrer Zahl an die Kapazität des Lebensraumes. „Übervermehrung“ der Krähen gibt es aus der Sicht ihrer Ökologie nicht. Die sehr unterschiedlichen Populationsdichten sind Hinweis auf unterschiedliche Lebensraum-Kapazitäten.
Die Nichtbrüter-Gesellschaft der Aaskrähenpopulation hält locker zusammen, sie besteht aus ein- bis fünfjährigen Vögeln. Sie kennen sich persönlich, bilden Hierarchien und wählen sich in lärmenden Frühjahrsversammlungen ihre Partner für die Zukunft als Brutvogel. Immer die Ranghohen dieser Gesellschaft sind es, die in die Brut-Gesellschaft nachrücken. Verpaart oder als Einzelvögel versuchen sie, in Brutterritorien einzudringen oder ein neues, geeignetes Revier zu erkunden und zu besetzen. Gelingt dies für eine Zeit während der Brutperiode, kann im nächsten Jahr dort gebrütet werden. Sie rücken auch nach, wenn erfahrene Brutpaare abgeschossen werden (sie sind die „Brutreserve“). So sind die ersten Lebensjahre in der Nichtbrüter-Gesellschaft die Jahre der Auslese, in der die „fittesten“ aus mehreren Jahrgängen des Nachwuchses durch sozialen Aufstieg für den Eintritt in die Brut-Gesellschaft ausgelesen werden. Gute elterliche Fürsorge hilft den Jungen nach dem Selbstständig werden „so hochrangig wie möglich“ in den Nichtbrütertrupp einzusteigen. Dies erhöht ihre Überlebenswahrscheinlichkeit und damit die Wahrscheinlichkeit, einmal Brutvogel werden zu können. Die Nichtbrüter üben ihrerseits eine innerartliche Auslese an den Brutvögeln aus, indem nur die fittesten ihrem ständigen Druck standhalten und zu Bruterfolg kommen.