Buch Hiob, 38, 41
Wer bereitet dem Raben die Speise, wenn seine Jungen zu Gott rufen und irre fliegen, weil sie nichts zu essen haben?
Rabenmutter ist eine abwertende Bezeichnung für eine Mutter, die ihre Kinder vernachlässigt. Im übertragenen Sinne wird der Ausdruck gelegentlich auch auf Institutionen angewandt, die zum Beispiel ihre Klientel vernachlässigen.
Die Redensart geht auf die Beobachtung zurück, dass junge Raben ähnlich wie junge Stare nach dem Verlassen des Nestes am Boden sehr unbeholfen erscheinen und als zu früh sich selbst überlassen beurteilt wurden. Junge Raben sind zwar Nesthocker, verlassen aber vor Erlangen der Flugfähigkeit aus eigenem Antrieb das Nest.
Geläufig ist der Begriff seit Luther, der das Alte Testament (Buch Hiob, 38, 41) übersetzte und entsprechend interpretierte. Auf diesen Hintergründen kam es zu den Begriffen „Rabeneltern“ und „Rabenmutter“. Es ist aber ein Trugschluss, dass Raben keine fürsorglichen Eltern seien. Die Elternvögel füttern die bettelnden Jungvögel tatsächlich einige Wochen lang und warnen und schützen ihre Jungen vor Feinden.
Das Gegenteil des weiblichen Stereotyps der Rabenmutter ist das der Gluckenmutter, einer bisweilen überfürsorglichen Mutter, die ihre Kinder mit intensiver Aufmerksamkeit eng umhegt.
Heinrich Heine verwendete den Begriff auf sein Vaterland: „Wir, ich meine Deutschland, die alte Rabenmutter“, (in: Reaktion auf den Tod Carl Leberecht Immermanns, Werke, Band IX, S. 162 f., Hg. Karpeles).
Heute wird der Begriff auch für Mütter verwendet, die sich auf andere Weise teilweise oder dauerhaft von ihren Kindern trennen, zum Beispiel sie zur Adoption frei geben. Nicht selten werden berufstätige Mütter polemisch als Rabenmütter bezeichnet.
„Die Unterstellung, eine berufstätige Mutter sei eine Rabenmutter, ist absurd.“ Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, 2009
Oft ist damit auch einer Frage nach Geschlechterrollen verbunden. In der feministischen Linguistik wird der Begriff kritisiert, weil durch seine Verwendung alte Rollenbilder fortgeschrieben würden. Die SPÖ-Frauen Steiermark veranstalten seit 2002 einen „Rabenmuttertag“, auf dem atypische Frauenbeschäftigungen thematisiert werden.
WKÖ-Hochhauser zu Väterkarenz: „Müssen Rabenmutter-Image abbauen.“ Es brauche eine Bewusstseinsänderung der gesamten Gesellschaft, an der alle Beteiligten – Mütter wie Väter, Arbeitnehmer wie Vorgesetzte und Unternehmer – ihren Anteil erbringen könnten. Ein besonders wichtiger Punkt aus der Sicht der Generalsekretärin: „Wir müssen beginnen, das Rabenmutter-Image abzubauen. Eine Entscheidung, wonach der Vater Karenz beansprucht, muss in der Realität oft von den Frauen gerechtfertigt werden. Auch hier müssen wir ansetzen.“
Metaphorisch wird Rabenmutter in den Medien und der Alltagssprache vielfältig benutzt. Beispiel: „Die Alma mater – eine Rabenmutter?“ (Überschrift des idw am 7. Januar 1999 zu einem „Tag der wissenschaftlichen Nachwuchses“ an der Universität Trier im Rahmen des Projektes Doktorandinnen-Zentrum).