Kaiser Friedrich der Rotbart unternahm einen Kreuzzug in das heilige Land, es den Türken zu entreißen, von dannen er dann nicht wieder heimkehrte.
Und bald darauf entstund im Volk mancherlei Gerücht und Sage, daß er nicht, wie doch die Kunde war, gestorben sei, sondern noch lebe und wiederkommen werde zu seiner Zeit.
So wurde gesagt, er sei in einen Berg verzückt und gebannt, und nennen manche den Untersberg bei Salzburg, andere einen Felsen bei Kaiserslautern, darin der Kaiser verzaubert sitzen soll; am meisten aber wird der Kyffhäuser als solcher Berg genannt. Da hinein soll er sich selbst verflucht haben mit seiner Tochter und allem Hofgesinde bis zur Zeit seiner Wiederkehr.
Da sitzt er nun im Bergesschoß, umgeben von seinen Wappnern, in einer glänzenden Halle an einem güldenen Tisch und trägt auf dem Haupte eine alte, güldene Krone.
Des Kaisers roter Bart ist durch den Tisch gewachsen und reicht zweimal schon um den Tisch herum. Wenn er aber zum dritten Male herum reicht, dann wird der Kaiser herauskommen, das Reich wieder behaupten, das Regiment bessern und das gelobte Land mit dem heiligen Grabe dem Türken abgewinnen. Dann wird er seinen Schild hängen an den dürren Ast eines uralten Birnbaumes, der auf dem Rathsfeld steht; und eine große Schlacht wird dann geschlagen werden, der Baum aber wird, wie in alten Zeiten, wieder fröhlich grünen und blühen.
Auch schläft der Kaiser nicht, sondern er nickt und zwinkert mit den Augen, wie im Halbschlummer. Und alle hundert Jahre sendet er einen Zwerg hinauf, zu schauen, ob die Raben noch um die alte Burgwarte von Kyffhausen fliegen.
Wenn der nun wiederkommt und aussagt, daß sie noch fliegen, so wird der alte Kaiser trauriger denn zuvorund nickt und schlummert leise fort; und so haben ihn schon manche gesehen. – Also kündet die Sage aus vergangenen Tagen.
Nun aber pranget auf des Berges Höhe das Ruhmesdenkmal deutscher Einigkeit. Auferstanden war das Deutsche Reich zu neuer Herrlichkeit und Macht. Die Raben, so hieß es, flogen nimmer um den Berg; Kaiser Rotbart war erlöst, und Kaiser Weißbart hält hoch zu Roß über dem Sagentraum einer minder glücklichen Vergangenheit. Auch der alte, dürre Birnbaum auf dem Rathsfelde mochte nun wieder fröhlich grünen und blühen. Ist solche schöne Wirklichkeit nicht wieder ein sagenhafter Traum geworden? Schläft Kaiser Rotbart nicht wieder im dunklen Bergesinnern? Und flügeln nicht, wie in vergangenen Tagen, die schwarzen Vögel wieder krächzend um des Kyffhäusers weithin schauenden Gipfel?
Quelle: Aus Thüringens Sagenschatz Arthur Ritter-Heimbach, 4. Bd.
Hintergrund und Entstehung der Barbarossasagen
Im Jahr 1211 betrieb Papst Innozenz III. und einige seiner Anhänger die Wahl des siebzehnjährigen Friedrich II. als Gegenkönig gegen den Welfen Otto IV. Nach der siegreichen Schlacht von Bouvines (27.07.1214) gegen das englisch-welfische Heer wurde Friedrich am 25.07.1215 in Aachen zum deutschen König gekrönt. Sein Anfangs gutes Verhältnis zum Papsttum wurde besonders durch die Frage der Bischofseinsetzung in Sizilien und durch Friedrichs Versuche, in Oberitalien wieder kaiserliche Rechte in Kraft zu setzen, getrübt. Dieser Konflikt eskalierte, als Papst Gregor IX. 1227 den Kirchenbann gegen ihn verhängte (unter dem Vorwand der Nichteinhaltung Friedrichs Kreuzzuggelübdes von 1215 gegen das Heilige Land).
Trotz des Banns brach Friedricht 1228 ins Heilige Land auf und setzte sich 1229 in der Grabeskirche zu Jerusalem die Krone des Königreiches Jerusalem auf. 1230 wurde er von seinem Bann erlöst. Als Friedrichs Macht weiter zunahm, wurde er erneut mit dem Bann belegt.
Die Auseinandersetzungen zwischen Papst und Friedrich nahmen erheblich zu, als Friedrichs Bestreben, die inzwischen durch Reichtum, Üppigkeit und Sittenlosigkeit entartete Kirche in die apostolische Einfachheit zurückzuführen, bekannt wurden. Friedricht wurde vom Papst aller seiner Würden entsetzt. Dennoch hielten ihm die weltlichen Fürsten und einige Städte die Treue. Der Thüringer Heinrich Raspe wurde zum Gegenkönig ausgerufen – mit der Folge der Auflösung der gesetzlichen Ordnung im Land. Die wenigen Aufenthalte Friedrichs in Deutschland brachten nur kurz Ruhe und Ordnung.
Am 13.12.1250 stirbt Friedrich II. plötzlich und unerwartet in Unteritalien vermutlich an der Ruhr.
Wie kaum ein anderer Herrscher des Mittelalters hatte Friedrich II. seine Zeitgenossen als auch seine Nachwelt in den Bann gezogen. Bei seinen Zeitgenossen galt er als überragende Persönlichkeit, als Stupor mundi im Sinne von „der die Welt in Erstaunen versetzt“. Er war hoch gebildet, sprach mehrere Sprachen fließend und verknüpfte Traditionelles wie die mittelalterliche Kaiseridee mit Zukunftsweisenden wie z.B. der Verwaltungsstruktur seines sizilianischen Königreiches. Bei seinen Anhängern galt er als eine Art Messias, während er für seine Gegner der Antichrist war.
Noch zu Lebzeiten hatte der Klerus eine Lehre vom Antichrist verbreitet und erwartete – von Friedrich ausgehend – ein gewaltiges Strafgericht. Da das erwartete Unheil aber ausblieb, glaubten die Anhänger des Papstes nicht an ein plötzliches Verschwinden Friedrichs. Sie vermuteten, der König lebe in geheimnisvoller Weise weiter. Es herrschte großer Streit, ob Friedrich gestorben ist oder nicht. Ein weiteres Zeugnis vom Glauben an ein Fortleben Friedrichs waren mehrere in der 2. Hälfte des 13. Jahrhundert aufgetretenen „falschen Friedriche“.
Der Chronist Johann von Winterhur berichtete 1348: „Er wird mit der Herrlichkeit des Reiches zurückkehren … und alle Gerechtigkeit erfüllen. Die Pfaffen aber wird er furchtbar verfolgen und die Mönche … von der Erde vertilgen.“ Um 1400 wurden Dichtungen mit ähnlichem Inhalt bekannt. 1421 widmete Johannes Rothe – ein Eisenacher Stadtschreiber – ein Kapitel seiner „Duringischen Chronik“ dem Staufer und hängte seiner Aufzeichnung ein Ketzersiegel an, indem er die Volkserzählung als Teufels Werk bezeichnete. Im 14. Jahrhundert steht die Ketzergestalt Friedrichs auch mit einer geheimen, antikleralen religiösen Sekte in Verbindung, die in Nordthüringen und im Südharz zahlreiche Anhänger hatte. Die Einrichtung einer Wallfahrtskapelle auf der Unterburg der ehemaligen Reichsburg Kyffhausen wurde mit dem Ziel verbunden, den Spuk um den wiederkehrenden Friedrich zu bannen.
Erste Angaben über den Aufenthaltsort des Sagenkaisers stammen aus einer Baseler Schrift des Jahres 1537. Danach soll Friedrich seine Wohnung in einem Berge bei Frankenhausen haben.
Die Vermischung von Friedrich I. Barbarossa und seinem Enkel Friedrich II. zu einer Sagengestalt ist vermutlich einer Schrift des Stadtarztes „Adelphus von Landshut“ zuzuschreiben, der in seiner Schrift von 1519 Kaiser Friedrich I. als Barbarossa mit einem langen, roten Barte bezeichnete und ihn in einem „hohen Perg“ hausen lässt. Die mit diesem Buch erzielte Breitenwirkung hatte Auswirkungen auf viele weitere um den Kyffhäuser angesiedelte Sagen.
Im 19. Jahrhundert erfolgte durch Vertreter der deutschen Romanik endgültig der Einsatz Barbarossas in die Kaisersage. Die eigentliche Sage um Friedrich II. und der mit ihr verbundene tiefere politische Inhalt musste den neueren Versionen um Friedrich I. Barbarossa und den Phantasien verschiedener Schriftsteller Platz machen. Im Laufe der Zeit sind weitere weniger bekannte Sagen entstanden, die sich um den im Kyffhäuserberg schlafenden Kaiser ranken.
Quelle: Kyffnet – Barbarossasage